Haben und mehr Wollen. Eine ethische Begründung von Wachstum

Autor/innen

  • Andrea Günter

DOI:

https://doi.org/10.18156/eug-2-2009-art-5

Abstract

Traditionellerweise wird die Idee des Wollens vom Mangel her gedacht. Damit
bleibt unberücksichtigt, dass die meisten, die wollen, schon haben, also in An-
betracht des Habens weiterhin und Weiteres wollen. Platon ist derjenige, der in
seiner Schrift »Politeia« das Paradigma des Mangels kritisiert und stattdessen ei-
ne genealogische Struktur von Haben-und-Wollen entwirft: ein Haben und Wollen
inmitten der Zeiten, der Beziehung und dem (politschen) Raum. Das Wollen kann
somit nicht länger als (berechtiger) Ausdruck der Bedürfnisbe- friedigung verstan-
den werden, sondern ist ethisch qualifiziert: Das Haben-und-Wollen wird zu einem
Mehr-Wollen, wobei sich das Mehr gerade nicht als das Mehr des Habens, sondern
als das Mehr zum Haben herausstellt. Platons Analyse verdeutlicht die Verschrän-
kung von Ökonomie und Politik als einen wechselseitigen Prozess der Dezentrierung
von Macht und bildet damit einen deutlichen Gegensatz zur Trennung der beiden Be-
reiche, wie Aristoteles sie – als Ausgangspunkt stabiler, unveränderlicher Verhält-
nisse – in seinem Gegenentwurf behaupten wird.


In traditional thought, desire is caused by deficiency. This concept neglects the fact that the majority of those who desire at the same time already have: in view of having they still remain people who desire – and desire more. In his book «Politeia», Plato has given a critique of the paradigm of deficiency und has instead developed a genealogical structure of having and desiring – having and desiring in the midst of time, relationship and (political) space. Desiring is thus no longer an indication of need, but is qualified ethically. Having-Desiring means desiring more; not in the sense of the «desire of having more» but «more than having». Plato’s analysis depicts the relation of economy and politics as a process of mutual de-centring of power. Thus, his concept forms a clear contrast to Aristotle, who developed his counter-concept of separate political and economic spheres as a ground for stable, non-changeable order.

Autor/innen-Biografie

Andrea Günter

Andrea Günter, *1963 in Karlsruhe, PD Dr. phil., Dr. theol, Studium der Kath. Theologie, Germanistik und Philosophie in Freiburg, Lehraufträge und Gastprofessuren an verschiedenen Hochschulen, Freischaffende in der Beruflichen Fort- und Weiterbildung.

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